Viaggio a Roma - Text by Dir. Dr. Georg Schnetzer, Forum Austriaco di Cultura Roma

Un Paradiso Amaro*Viaggio A Roma

 
 

Text by Dir. Dr. Georg Schnetzer, Dir. Forum Austriaco di Cultura Roma

Die Ausstellung Un Paradiso amaro, für die den beiden Kuratorinnen Judith Augustinovič und Valerie Habsburg großer Dank gebührt, basiert auf einem mehrjährigen Forschungs- projekt um Leben und Werke der Bildhauerin Teresa Feodorowna Ries (1866-1956).
Die teilnehmenden – es könnte nicht passender sein: ausschließlich weiblichen – Künstlerinnen setzen die gewonnenen Forschungsergebnisse in künstlerische Werke um, zeitgenössische Auslegungen, Weiterentwicklungen und Konzepte, die auf Ries als Basis, als Geschichte, als Inspiration zurückgreifen. Im Kontext mit den neuen, zeitgenössischen Werken präsentiert Un Paradiso amaro Dokumente aus dem privaten Archiv der Bildhauerin und, zum ersten Mal überhaupt, ihre Bronzeskulptur Saint without a Name.

Eine Ausstellung, die das Werk und das Leben dieser Künstlerin zum Ausgangspunkt nimmt, könnte in Rom keinen geeigneteren Platz finden als das Österreichische Kultur- forum am Eingang der Valle Giulia. Genau dieses Tal zwischen den Hügeln Parioli und Pincio war 1911 der Austragungsort der Internationalen Kunstausstellung, die anlässlich des 50. Jahrestags der Gründung des Königreichs Italien veranstaltet wurde. Als Teil der groß angelegten Weltausstellung 1911, die auch Ausstellungen zu den Bereichen Technik, Geschichte des Risorgimento, Architektur, Archäologie, Völkerkunde u.a. in Rom und in Turin umfasste, sollte diese Internationale Ausstellung der Schönen Künste den Stellen- wert Roms als globale Kunstmetropole unterstreichen.

Die Valle Giulia, benannt nach der Villa Giulia, der Sommerresidenz, die Papst Julius III. hier in der Renaissancezeit erbauen ließ, wurde im Zuge der Kunstausstellung nachhaltig verändert: Das Tal wurde zu einer Kunstmeile umgestaltet, die durch die neu angelegte Viale delle Belle Arti erschlossen wurde. Über den ebenfalls neu erbauten Ponte del Risorgimento führte die Verlängerung der Straße ans andere Tiberufer zur Piazza d‘Armi, auf der zeitgleich zur Kunstschau die groß angelegte völkerkundliche Ausstellung mit Pavillons aller italienischen Regionen stattfand.

Links und rechts der Viale delle Belle Arti wurden an den Hängen des damals noch weit- gehend unverbauten Tals die temporären, teils recht pompösen Pavillons von etwa 20 Ländern errichtet, die an der Kunstausstellung teilnahmen, darunter unter anderen Frankreich, Spanien, Großbritannien, Russland, die USA, Deutschland, die skandinavischen Staaten, Serbien, die Niederlande, Belgien, Japan und nicht zuletzt die Habsburger Monarchie mit einem österreichischen und einem ungarischen Pavillon.

Der von Josef Hoffmann geplante österreichische Pavillon stand links neben dem Eingang des Ausstellungsgeländes, dort wo sich heute eine Grünfläche zwischen dem Eingang zum Park der Villa Borghese und dem ägyptischen Kulturinstitut befindet. Er wurde –
wie fast alle anderen Pavillons – nach der Kunstausstellung wieder abgetragen; heute existieren nur noch zwei davon: aus dem britischen Pavillon wurde die British School in der Via Gramsci, aus dem zentralen Ausstellungspavillon wurde – mittlerweile erweitert – die Nationalgalerie für moderne und zeitgenössische Kunst (GNAM).

In der Folge der Weltausstellung sollte die Valle Giulia als Kunstmeile erhalten und ausgebaut werden. Den Nationen, die an der Kunstschau 1911 teilgenommen hatten, sollten daher Grundstücke auf dem Ausstellungsgelände zu beiden Seiten der Viala delle Belle Arti mit der Auflage überlassen werden, dass auf diesen dauerhafte Forschungs- und Kulturinstitute errichtet würden. Durch den Ersten Weltkrieg wurde der Plan nicht verwirklicht, dann aber von der faschistischen Regierung wieder aufgegriffen. Es dauerte bis Anfang der 1930er-Jahre, bis die ersten Staaten auf der Grundlage von bilateralen Kulturabkommen dieses Angebot annahmen und ihre Kulturinstitute und Akademien bauten. Die ersten waren Rumänien und die Niederlande. 1935 wurde dann das bilaterale Kulturabkommen zwischen Österreich und Italien abgeschlossen und mit dem Bau des Österreichischen Kulturinstituts auf einem 3600 m2 großen Grundstück gegenüber der Villa Giulia begonnen, mit der es gleichsam das Tor zur Valle Giulia bildet. Das von Karl Holey geplante Gebäude wurde 1937 fertiggestellt und beherbergt heute – nach einer wechselvollen Geschichte – das Österreichische Kulturforum, das Historische Institut und die Konsularabteilung der österreichischen Botschaft. Bis in die 1970er-Jahre erfolgte

in der Valle Giulia noch der Bau der Institute und Akademien von Belgien, Schweden, Dänemark, Ägypten und Japan.

Was hat nun die Geschichte der Valle Giulia und des Österreichischen Kulturforums mit Teresa Feodorowna Ries zu tun? Die russisch-österreichische Bildhauerin, die damals nicht nur in der Wiener Kunstszene eine Berühmtheit war, gehörte zu jenen Kunstschaf- fenden, deren Werke im Rahmen der Internationalen Kunstausstellung 1911 ausgestellt wurden, und das gleich in zwei Pavillons: sowohl im russischen als auch im österreichi- schen. Der Pavillon von Josef Hoffmann beherbergte Werke von 220 Künstlerinnen und Künstlern, darunter Ferdinand Georg Waldmüller und Gustav Klimt, denen je ein eigener Saal gewidmet war, Koloman Moser, Carl Moll, Albin Egger-Lienz und viele andere Männer. Unter den 220 Kunstschaffenden waren lediglich fünf Frauen, darunter Teresa Feodorowna Ries, von der zwei Skulpturen präsentiert wurden: die Bronzeskulptur Der Kuss und ein Marmorporträt ihres Wiener Professors für Bildhauerei, Edmund Hellmer.

Es freut mich besonders, dass das Österreichische Kulturforum, dessen Geschichte so eng mit der Kunstausstellung 1911 verbunden ist, 2023 eine Ausstellung präsentieren kann, die sich mit Leben und Werk dieser faszinierenden Künstlerin auseinandersetzt. Ich hoffe, dass wir damit auch einen kleinen Beitrag leisten können, dass diese außer- gewöhnliche Frau nach Jahrzehnten, in denen sie weitgehend in Vergessenheit geraten war, im Lauf der letzten Jahre wieder stärker in Erinnerung gerufen wird. Nicht zuletzt wollen wir mithelfen, dass eine jüdische Künstlerin, die vom nationalsozialistischen Regime aus Wien vertrieben wurde und deren Werke in der Folge zu einem guten Teil verschwunden sind oder zerstört wurden, einem breiteren Publikum erschlossen wird.

Georg Schnetzer, Direktor